Der Phoenixzauberer


von Hans Jürgen Sobota



Dies ist eine wahre Geschichte, ich weiß es, denn sie ist mir selbst vor unendlich langer Zeit passiert. Und wie das so ist, wenn man älter wird, vergißt man die Erfahrung des Lebens und die Erinnerung an die Erfahrungen der Leben kommt zurück.

Wie schon immer schritt ich, erschöpft und zufrieden vom Tage, über den Seitpfad, auf die riesige graue Wand zu.
Glatter Fels, Teil eines uralten scharfkantigen Kraterrandes.
Außen aus fast senkrechtem Stein, für die Flügellosen, seit Äonen nahezu unbezwingbar. Die unsichtbare Tür in der Wand öffnete sich auf mein Nahen hin, schwang lautlos hinter mir zu.

Ich schritt direkt in den Saal der Nacht.

Die alten goldenen Liegen in langer Reihe aufgestellt, die weißen Matratzen abgedeckt, ohne Decken, Kissen, oder anderen Schnickschnack, begrüßten mich mit vertrautem warmen Anblick. Das letzte Bett in der Reihe, also das erste nahe des Tores, war das meine im alten unteren Saal.
Über diesem der zweite Saal für diejenigen der unserigen, die vor langer Zeit in größrer Gestalt den Frieden der Ruhe genossen.
Die einzigen Räume in der riesigen hölzernen Hütte.
Diese, mehr Halle als Hütte, an die innere zerklüftete Kraterwand gebaut, mit ihr selbst über gewaltige Balken verbunden.
Graues Holz wie Stein.
Steinernes kaum rissiges Holz.
In der Kälte des Winters versteint, Jahrtausende in der Sonne gedörrt.

Einer Sonne, die des Sommer im steilsten Punkt ihres Laufes, die Kraterwand mit der Hütte und den großen seidiggrasbewachsenen flachen Hügel in der Mitte des riesenhaften Kraters beschien.

Die gleiche Sonne die im Winter kaum über die riesige massive von keines Menschen Fuß zu erreichende Platte am gegenüberliegen Kraterrand lugte.
Denn diese war den Unserigen vorbehalten.

Am Tag der Wende blieb es im Krater dunkel, bis auf bläulich strahlendes Licht welches das Innere der Hütte und die Platte erhellte.
Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich streckte mich auf mein Bett, grüßte die ewig ruhenden Schatten der Alten und schlief.

Anders war's als sonst.

Irgendwann, in schönsten Träumen von noch älteren Leben,
wurd mir warm, im träumenden Schlaf.
Ich segelte gerade mit breiten Schwingen, über ein Dorf, mit freundlich grüßend winkenden Menschen, nahe dem Dschungel.
Den drei abgebrochenen Kegeln der spitzen blaugrauen schneegesäumten Vulkane zu.

Schnee? Aber mir war warm?

Als ich die Augen aufschlug standen die Betten, auch das meine bereits in Flammen. Die güldenen Bettgestelle der Alten, derer, deren Körper nicht zurückgekommen waren, bereits von Ruß geschwärzt.
Die Wände der Hütte von rotgelben Flammenzungen beleckt. Mit einer Bewegung aus dem Bette stürzend
suchte ich Schutz, vor bereits prasselnden Trümmern, unter der massiven goldenen Bettplatte. Als die Vorderwand barst, brach ich ins Freie, zum sanft ansteigenden Abhang des inneren Kraterhügels.

Schaute zurück.

Die Hütte verzehrende Flammen, schlugen die Zerstörung verdeckend, hoch. Bis weit über den zackigen Kraterrand.
Blutigrote, gelbschmutzige Flammenzungen von einer schwarzen Rauchwolke gekrönt. Nicht vergleichbar mit dem strahlend blauem Licht zu dem ich und die meinen fähig waren.

Schaute nach vorn

Sanfter warmer Frühlingswind strich die Gräser neigend über den Hügel, mir entgegen. Die Zerstörung schon vergessend hob ich seitlich die Arme.
Stieg im warmen Wind, ohne einen einzgen Schlag, fast senkrecht auf. Betrachtete schon wieder glücklich, die Welt über die Kraterränder hinweg.
Reglos stand ich in der strömenden Luft, genoß wie immer den Frieden das Fluges.

Plötzlich, auf fast allen Schründen und Graten, der inneren seitlichen Wände, erhoben sich grau gewandete Uniformen. Lange Dinge in den Händen, Feuerrohre nannten es die Jungen. Sie winkten, sie grüßten nicht.
Graue Kappen über ungläubigen Gesichtern, die hoch, zu mir, starrten. Ein weiterer grauer Mensch stand auf, ein kleines Feuerding in der Hand.

Ich sang den alten Gruß, leise im warmen Winde wiegend.

Er aber rief den Seinen, das kleine Rohr hebend, etwas zu.
Auch diese hoben die Rohre an denen mir zugewandten Enden blitzte es und peitschenartige Geräusche erklangen.
Um mich herum ward das feine Raunen des Windes von Zischen durchbrochen.

Etwas streifte mich.

Alter angstvoller Zorn der Ahnen erfasste mich und mühelos stieg ich höher. Sah die Welt, den Krater, die brennende Wand, die grauen blitzenden Frevler.

Rasende furchtbare Wut loderte auf.

Direkt auf die Felsplatte der Ahnen ließ ich mich, um mich selbst drehend, fallen.
Und stand donnernd, wie der Berg selbst.
Meinen Wutschrei brüllt ich tief aus mir, bis die Welt nur ein Laut.
Erste Steine brachen vom Schrei getroffen, selbst bröckelnd, vom Rand.
In unbeschreiblicher Wut ob der ewigen Frevler stampfte ich auf.
Quer ging der Riß durch den Boden, die Wände, des Kraters.
Heißes Magma quoll in unaufhörlichem Strome aus der riesigen Spalte, die sichtbare Welt mit glutigem Feuer überziehend, Kaskaden von gühendem Gestein in den Himmel speiend. Die Welt verging.

Während ich aufstieg schwand leise der schmerzende Zorn.

Leben später kam ich zurück.
Erloschen längst die Zornesglut, erkaltet der Stein, eine schwarze spiegelnde Fläche von Horizont zu Horizont.
Darauf buntgekleidete Menschen, die einen schauten, die anderen spielten sich selbst. Musik erklang.
Freundlich luden Sie mich ein es ihnen gleich zu tun.
Ich aber dankte, setzte mich an den Rand und betrachtete ihr Spiel.


Aus der Leben des Osüjah, für ihn niedergeschrieben von H.J.Sobota


Ein Nachwort: Ich habe viel gelernt aus dieser Niederschrift.
Wie beschreibt man einen Schrei den man wirklich hörte? Ich konnte es nicht.
Wie eine Musik? Ein Lied geht ja, man kann es halbwegs nachsingen.
Aber eine Sinfonie, Noten nutzen nicht, denn auch andere können keine? Ich konnte es nicht. Wie ?


E-Mail an den Autor: Taekwondo-Schwerte@t-online.de





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