Des Raumritters
Numos Mobilus Grimoires
magische Gedichte






BABEL



Des Menschen Sehnsucht klagt ihm Leid
Sein Dasein strebt nach Ewigkeit
Alt Bücher Lehr verheißen Heil
Doch Zweifel werden ihm zuteil
So lernt er gern in stiller Stunde
Mühsam die Architektenkunde
Damit sein Name und sein Streben
Bewahret wird noch manche Leben
Prachtvoll jedes Monument
Ach - wenn es doch ewig ständ Jeder Bau, all mächtig Werk
Des Menschen Stolz - vor Gott ein Zwerg
Der Zahn der Zeit - ein Kunstverächter
Seht, wie mit schallendem Gelächter
Sich Rieb und Fraß in Mauern krallen
Daß Holz und Stein zu Boden fallen
Wie Sturmwind durch die Ritzen pfeift
Sich des Mörtels Feste greift
Wie Flut und Wogen Wände tränken
Jedes Bauteil abwärts lenken
Wenn in orkangepeitschter Nacht
All Stolz in sich zusammenkracht
Und mit dessen traurig Reste
Zu guter Letzt die Erde mäste
Dann erst, Mensch, bist Du benommen
Dem Fluch der Ohn-Macht nah gekommen
Wenn Deine Macht und Kraft und Stolz
Verschwunden ist im Unterholz
So aller Menschen kläglich Tand
Gebaut auf Treibes Sand
Eingestürzt in Lärm und Tos
Die Erbauer fassungslos
Blickt in ihre Gesichter
Voller Ehrfurcht vor dem Vernichter
Alle Arbeit, alles Glück
Pulverisiert im Augenblick
Des Menschen Werke unverhohlen
Nie stoßen an der Engel Sohlen
Sehet was sie taugen
Versunken vor Gottes Augen

© Numos Mobilus





GESCHICHTEN AUS DEM ODENWALD



War einst ein Wirt im Odenwald
Der führte die Taverne
Dort war es dunkel, feucht und kalt
Doch fand man ein sich gerne
Den Gästen war sie sehr bekannt
Aus vielen Gen´rationen
Wer Speis und Trank bestellte, fand
Stets üppige Portionen

Gast tritt ein
Bleib nicht allein
Nimm Platz an einem Tischchen

Die Tische waren stets besetzt
Und ließen keine Lücke
Der gute Ruf war nicht zuletzt
Auch zu des Wirtes Glücke
Doch dort im dunklen Winkels Eck
Man konnt´ es kaum erkennen
Stand hölzern Ding, voll Staub und Dreck
Das kaum wer wagt zu nennen

Dort stand allein
Ohn´ Gast und Wein
Ein herrenloses Tischchen

Ein Jeder wußt´, was Tischlein war
Doch hüllt´ man sich in Schweigen
Denn nur ein ungelehrter Narr
Tanzt bar den Geisterreigen
Was jeder wußt´ und keiner sprach
Sollt´ ein Mysterium bleiben
Denn was in bald´ger Zukunft lag
Das Tischlein konnt´ es schreiben

Wer ist so weise
Und lüftet leise
Das Rätsel um das Tischchen?

Einst kam ein Jüngling durch die Stadt
Zur Rast in der Taverne
Und sehnte sich zu speisen satt
Er kam aus weiter Ferne
Die Plätze war´n vergeben all
Bis hin zum letzten Tische
Und weil er stand vor Schlafes Fall
Nahm Platz er in der Nische

"Die Ohren gespitzt
Ein Fremder sitzt
Am Odenwalder Tischchen"

Ein Raunen wogte durch den Raum
Den Wirt winkt´ her der Bube
Und zitternd - wie in Alpes Traum
Wankt´ er ins Eck der Stube
"Mein Herr, Ihr solltet hier nicht sein
Kein Ort für einen Knaben
Nehmt an der Theke Euren Wein
Tut dort Euch dran erlaben

Denn Ihr nahmt Platz
An der Geister Schatz
Am Odenwalder Tischchen"

Der Mahnung ungerührt und stolz
Hob sich des Jünglings Hand
"Einen Krug Wein stellt auf das Holz
Gefüllt hoch bis zum Rand
Dazu ein Festmahl - üppig, breit
Dann gebt mir meinen Frieden
Mein Weg ward unerträglich weit
Ruh´ sei mir nun beschieden

Singt fort Eure Lieder
Derweil laß ich mich nieder
Am Odenwalder Tischchen"

Der Abend schwand alsbald dahin
Verdrängt durch dunkle Nacht
Die Schänke leer, kein Mensch mehr drin
Nur noch der Jüngling lacht
Gemästet ob dem nahrhaft Mahl
Berauscht von Weines Rebe
Fragt´ trunken er, gierig und schal
Ob man ihm Auskunft gebe

"Wirt, kommet her
Und erzählet mir mehr
Vom Odenwalder Tischchen"

Des Wirtes Augen wurden weit
"Da gibt´s nicht viel zu sagen
Der Tisch gibt Antwort jederzeit
Auf alle Eure Fragen
Er schreibt mit seinem dritten Bein
Die Botschaft auf Papier
Doch Vater warnte ‚Laßt es sein!'
Gefahr lauere hier

Denn wer sich dort setzt
Der wird auch verhext
Vom Odenwalder Tischchen"

Der Bengel stutzt, brüllt dann verrucht
"Ihr wagt mich zu verschaukeln
Macht Ihr nun ernsthaft den Versuch
Magie mir vorzugaukeln?
So laßt uns klär´n schon dieser Zeit
Was folgt die nächsten Tage
Schiebt rüber nur das Tischlein weit
So stell ich eine Frage

Mir einerlei
Papier herbei
Zum Odenwalder Tischchen"

"Genug jetzt" rief der Wirt empört
"Nun hab ich´s zur Genüge
Wer morgens wie ein Löwe röhrt
Stirbt abends wie die Fliege
Mein Urahn diesen Tisch ersann
Mit seinen magisch Blüten
Verschollen jedoch ist der Bann
Um Böses zu verhüten

Wer schutzlos beschwört
Die Geister nur stört
Am Odenwalder Tischchen"

"Welch Humbug" stieß der Bengel aus
"Solch Spielchen nicht mit mir
Wollt´ kehr´n den Depp aus mir heraus
Hier hab ich ein Papier
Tisch sage mir, was kommen mag
Sag´s mir ohne zu witzeln"
Da fing, anfangs noch schwach und karg
Der Tisch gleich an zu kritzeln

"Wie ich drum bat
Es schreibt in der Tat
Das Odenwalder Tischchen"

Gierig grabscht der Bursche nun
Den Zettel von der Bohle
Die Zeilen, die er findet, tun
Nichts für sein Seelenwohle
Wutrot sich sein Antlitz färbt
Ob dieser Zeilen Sinn
"Ihr sagt, Ihr habt den Tisch geerbt?
Oh, welch Idiot ich bin

Ich freute mich schon
Nun will es mir droh´n
Dies Odenwalder Tischchen"

Dies stand auf der Nachricht
Die er hielt in seiner Hände
"Knabe, plan´ die Zukunft nicht
Dein Weg ist hier zu Ende
Bevor Du noch den Raum verläßt
Trifft Holzpfeil Dich am Kopfe
Und bohrt sich gleich der Schwarzen Pest
Durch Deinen Flegelsschopfe

Du hast mich gefragt
Ich hab´s Dir gesagt
Dein Odenwalder Tischchen"

Der Jüngling zürnte, tobte, schrie
"Nun habe ich genug
Ich trau doch leblos Dingen nie
Beendet sei der Spuk"
Dann griff er nach dem Beil, es war
Dort rechts in einer Truhe
Nun schlug er auf das Tischlein hart
"Gleich hab´ ich meine Ruhe

Verheißt es mir Pein
So schlag ich es klein
Das Odenwalder Tischchen"

Der Jüngling schlug wild auf die Platte
Das Tischlein war robust
Er schwang das Beil auf jede Latte
In Zerstörungslust
Ob des harten Beiles Hieb
Ein Splitter sich verirrte
Und wie in kismetischem Trieb
In seinen Schädel schwirrte

Tat´s kurz noch verdammen
Dann sank er zusammen
Am Odenwalder Tischchen

Dem Wirt kam der Gedankengang
"Nun, jugendliche Eile
Junges Blut - voll Tatendrang
Doch stets der Griff zum Beile
Warum die Geister stetig stören
Obgleich die Lebenden so nah?
Warum die güld´nen Wort´ nicht hören
Die doch sind zum Lernen da?

Wer dies einmal weiß
Der ergründet´s ganz leis
Das Rätsel um das Tischchen"

Drum Wand´rer denk an diese Mär
Kommst Du in dies´ Gefilde
Gib Dich solch Spielzeug niemals her
Bist Du nicht selbst im Bilde
Nie einer hat ein Glas gefüllt
Das er nicht hat besessen
Wer achtlos nach den Geistern brüllt
Der wird davon gefressen

Der landet so ferne
In des Teufels Taverne
Am Odenwalder Tischchen

© Numos Mobilus


<



HEXENFEUER



Du bist auf der Flucht,
Doch Du hast keine Chance.
Niemand hört Deinen Schrei.
Du bist ein Heide - und mußt sterben!

Bete zu Diana,
Zum letzten Mal.
Doch der Zauberspruch wirkt zu spät.
"Tod" heißt Dein Schicksal.

Die Kirche verschafft dem Tier erst Macht,
welches die Bibel prophezeit.
Ihre Nachbarn müssen sterben,
damit ihr eigener Gott zufriedengestellt ist.

Denn die Scheiterhaufen glimmen noch.
Den Häschern geht es gut.
Die wilde Hatz hat nie aufgehört.
Und vielleicht bist Du der Nächste auf ihrer Liste

© Numos Mobilus





HIMMELSGLUT



Lichterlohes Flammenspiel
Im Ofen dort erwärmt die Diel´.
Funken sprühen, kleine Stern´.
Mitten in des Feuers Kern
Glüht ein Stein in grellem Lichte,
Macht das Schwarz der Nacht zunichte.
Regen trommelt an die Scheiben
Ob des Sturmwinds heft´gem Treiben.
Durch den Sims die Tropfen fallen
In des Feuers Flammenkrallen.
Vom Stein erfaßt sie rasch vergehen,
Ein Zischen leis´ ihr letztes Flehen.
Wie jede Wahrheit - ignoriert -
Durch heiße Lügen fortgeschmiert.
Schweigend wärm´ich meine Glieder.
Gedanken steigen auf und nieder.
Erblick´die Glut, doch seh´allein
Die Tropfen auf dem heißen Stein.
Die Perlen, glühend aufgelesen,
Sind sie je dahier gewesen?
Sekunden währt nur ihr Bestehen,
Woll´n bodenwärts herniedergehen.
Doch siedend Fels erteilt die Rüge.
Der Stein der Weisen - eine Lüge?
Was ist Wahrheit, was ist Trug?
Die Sinne fassen nie genug.
Wie der Berg in weiter Ferne
Zum Zwerge macht sich allzugerne,
Zum Riesen wird, steht man davor,
Erkennt man selbst sich oft als Tor
So flüchten wir in uns´re Betten,
Hoffend, Hypnos kann uns retten.
Der Trinker legt sich hin mit Brand
Und träumet vom Schlaraffenland
Doch Traum - wie soll er Lüge sprechen?
Laßt uns eine Lanze brechen!
Wie kann man Lügen auch nur nennen
Ohne Wahrheit erst zu kennen?
Die einz´ge Wahrheit, die wir schauen,
Liegt im Tod mit seinem Grauen.
So werden wir dereinst besiegt
Vom Kontinent, der in uns liegt.
Vom Kontinent in Jedermann.
Und Traum - liegt er nicht nah daran?
Ein Narr, wer seinen Augen traut,
Ein Narr, wer auf Geschmäcke baut.
Der gleiche Narr baut auf Geräusche,
Wie der, den seine Nase täusche.
Ein jeder mag noch lange munkeln.
Solang die Wahrheit liegt im Dunkeln
Kann all Reales nie mehr sein,
Als Tropfen auf dem heißen Stein.

© Numos Mobilus





PRUDENTIA



Auf, zum Schauspiel laßt es läuten!
Das Theater lädt heut´ein.
Bretter, die die Welt bedeuten,
Mimen spiel´n nicht gern allein.

Aus der Dörfer dunkler Gassen,
Aus der Städte Häusermeer
Zwingen sich nun her die Massen,
Abertausend oder mehr.

Lächelnd, kindlich strömen Gäste,
sichtlich zum Humor gewillt,
in den Großsaal des Theaters,
bis das Haus ist prall gefüllt.

Erwartungsvoll Gesichter blicken
Durch die Menge, durch den Raum.
Hier und dort ein kurzes Nicken,
bald beginnt des Tages Traum.

Und der Name dieses Spieles,
"Vitae Ordo" hier genannt,
verheißt schon einiges, ja vieles,
doch ist Manchem unbekannt.

Ruhe herrscht nun in den Stühlen,
da der Vorhang sich erhebt.
Bald schon kann ein Jeder fühlen,
wie die Bühne glänzt - und lebt!

Sanfte Klänge der Kapelle
Streichen durch den ersten Akt.
Ein Kindlein tritt hier an die Stelle,
neugebor´n, noch schwach und nackt.

Applaus - er toset durch die Reihen,
die Overtüre der Geburt
läßt so manchen Gast verzeihen
seines Lebens schnellen Spurt.

Und die Besucher, jung im Geist,
erinnert an der Kindheit Pracht,
vergießen, da in Zeit gereist,
nun Wehmutstränen in die Nacht.

Doch während noch Gefühle wallen
Wird gedämmt der Zährenteich.
Weit´rer Spaß gewünscht sei allen
Bei des Dramas zweitem Streich.

Die Planken uns´rer Bühne knarren,
ein Jüngling auf die Bohlen steigt.
Kräftig, bärig wie zehn Karren.
Jedermann sein Haupt verneigt.

Mit dem Antlitz eines Helden
Er die Frauenherzen bricht.
Sagt, welch Weib mag nicht sich melden,
das einst sah in sein Gesicht?

Die Herren uns´rer Gästeschar
Sich sinnen an die eig´ne Spann´.
Was diese Zeit doch für sie war,
zu sein ein stattlich, prächtig Mann.

Rührung läßt die Herzen klopfen,
ob der Stärke, Männlichkeit.
Wieder sieht man Tränen tropfen,
dennoch siegt die Heiterkeit.

Und während all die Träume schwelen,
was das Leben doch einst war,
bietet - wir wolln´s nicht verhehlen -
auch der dritte Akt sich dar.

Stöhnen, Ächzen, kraftlos Kriechen
Nun die Plattform dominiert.
Keine Kraft, nur stet´ges Siechen
Dieser Abschnitt nun gebiert.

Ach, die Zeit vergeht so zügig
Und die Stärke ist dahin.
Arbeitskraft macht uns gefügig,
Kraft jedoch liegt eher im Sinn.

Greise blicken durch die Halle,
durch die Reihen, durch den Saal.
Das Schauspiel wird zur Altersfalle,
jede Falte wird zur Qual.

"Laßt uns," ruft ein Greis der Menge,
"ein neues Leben doch beginnen.
Mit uns´res Wissens Jahreslänge
Könn´wir neue Kraft gewinnen."

Begeisterung erhellt die Plätze,
Hoffnung leuchtet auf im Trakt.
Doch meine Herrn, es gibt Gesetze.
Ihr vergaßt den vierten Akt.

Aus fahlem Nebel ausgespien
Ein Schatten nun die Bühn´besteigt.
Mit langer Sense, gern verschrien.
Der Fiedler schräge Noten geigt.

Ein Raunen kämpft sich durch die Menge,
was die Bedeutung nunmehr sei.
Ein Tummeln, panisches Gedränge
Wohnt des Derwischs Worten bei.

"Habt ihr, da ihr den Saal betratet
und euch des Stückes ausgesetzt,
mich denn zu keiner Zeit erwartet,
insbesond´re nun - zuletzt?"

Alles rennt in Angst verdrossen
Auf die großen Tore zu.
Doch aller Ausgang ist verschlossen.
Ernüchterung erfolgt im Nu.

Das Leben lehrt dich vieles brauchen,
was auch Lehrer nicht versteh´n.
Wer als Kind nicht lernt zu krauchen,
wird im Alter niemals geh´n.

Eine Acht beschreibt die Sense,
Häupter mähend, stetig rund.
Blut entströmt der Greisen Hälse,
Leiber sinken in den Grund.

Lautlos fällt der Vorhang nieder,
ein gierig schwarzes Leichenhemd.
Auf ewig - öffnet nimmerwieder.
Dies Stück - vertraut und doch so fremd.

© Numos Mobilus








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