WEISSE ROSEN IN DER ARKTIS


Diese Geschichte wurde mir von Bernd aus Heidelberg geschickt.

... und in einer kalten Winternacht erzählt dir Galadriel, der Zauberer eine Geschichte, die ihm selbst erzählt wurde, vor vielen Jahren, als er noch unter Menschen weilte, die es verstanden, sich die Zeit mit Geschichten zu vertreiben, statt sich nur von der Hektik des Alltags beherrschen zu lassen. Und diese Geschichte soll sich so zugetragen haben, vor vielen Jahren ...

Und mit leiser Stimme beginnt er zu erzählen:

Cowboyhut, Jeans und Jeansjacke, Cowboystiefel und breiter Gürtel mit silberner Schnalle, so stand er am Rand der staubigen Straße von Llaredo nach Mexico und wartete, daß irgendein Auto ihn mitnimmt. Er hatte Pferde gefangen in Colorado, sein Geld verspielt in Las Vegas und Kühe getrieben in New Mexico. Sein Gepäck besand aus einem Seesack, den er noch aus der Zeit seines Militärdienstes hatte, den er in der Wüste von White Sands ableistete.

Seit Tagen hatte er kaum geschlafen, weil ihn ein Bild im Traum nicht loslies - eine weiße Rose, die einsam im Schnee der Arktis blühte. Sie stand einfach da, keine Erde, kein Wasser, nur Schnee um sie herum - eine weiße Rose im Schnee der Arktis.

Es war heiß, fast unerträgliche 45 Grad an dieser Stelle der Straße, wo nur sehr wenige Autos vorbeikamen. Er suchte nach einer schattigen Stelle, doch kein Baum, kein Haus, nicht einmal ein Busch war in der Nähe, so daß er sich hätte in den Schatten legen können. Er legte sich halb auf den Seesack, halb in den Staub und hoffte auf ein Auto, damit er seinen Weg fortsetzen konnte. So lag er etwa eine Stunde reglos da, Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet und sein Mund klebte vor Trockenheit. Aus der Ferne hörte er das Geräusch eines näherkommenden Wagens. Er setzte sich halb auf und streckte den Daumen hoch, zum Zeichen, daß er mitgenom-men werden wollte. Der näherkommende Pick-up verlangsamte seine Fahrt und hielt schließlich an.

"Wohin des Weges, Cowboy?", fragte die braungebrannte Schönheit am Steuer des Wagens.
"Mexiko!", antwortete der Cowboy kurz, ohne aufzublicken. Das Bild aus seinem Traum beschäftigte ihn so sehr, daß ihm, entgegen seiner Art - er war sonst kein Kind von Traurigkeit - die Frau am Steuer des Wagens überhaupt nicht auffiel.
"Ok, Mexiko!", antwortete diese kurz und fuhr los. Dies waren die einzigen Worte, die während der halbstündigen Fahrt zur Grenze gesprochen wurden. Der Cowboy stieg aus, bedankte sich kurz mit einem Griff zum Hut und einem leichten Kopfnicken und überquerte zu Fuß die Grenze nach Mexiko.

Die gleiche Hitze, der gleiche Staub, kein Baum, kein Strauch, kein Schatten. Er setzte sich an den Rand der Straße und dachte an sie, die weiße Rose im Schnee der Arktis. Aus seinem Seesack kramte er eine Flasche mit Tequila hervor und nahm einen kräftigen Schluck, einen zweiten und einen dritten. Dann griff er zu seinem Tabaks-beutel, um sich eine Zigarette zu drehen. Er rauchte und dachte an sie, die weiße Rose im Schnee der Arktis.

Als der Abend dämmerte saß er noch immer an der gleichen Stelle, und als der Morgen graute, merkte er, daß er wieder einmal nicht geschlafen hatte. Das Bild lies ihn nicht los, lies ihn nicht zur Ruhe kommen, und er wußte, es gab für ihn nur einen einzigen Weg - er mußte sie finden, die weiße Rose im Schnee der Arktis.

Er nahm seinen Seesack auf und ging los, ein Schiff zu finden, das ihn in die Arktis bringen sollte, doch keines der Schiffe hatte Kurs in die große Eiswüste und jeder, den er fragte schaute ihn an, als hätte er sich mit Drogen den Verstand umnebelt. So heuerte er auf einem Frachter an, der ihn nach Kittimat brachte, die kanadische Aluminiumbastion. Er arbeitete in den Aluminiumstollen, um sich Geld zu verdienen für die Weiterfahrt in die Arktis. Endlich, an einem lauen Sommerabend traf er einen Skipper, der sich bereit erklärte, ihn in die Arktis zu bringen.

Nach einer langen Überfahrt erreichten sie endlich Kap Barrow, den letzten eisfreien Hafen der Arktis. Der Cowboy kaufte sich einen Hundeschlitten und jagte los. Wochenlang zog er durch die Eiswüste, die beißende Kälte legte einen Eiskranz um seinen Bart. Schon zog ein Rudel Wölfe hinter seinem Hundeschlitten her, auf der Suche nach Nahrung, als er auf der Suche nach Nahrung die Fährte eines Eisbären kreuzte. Da seine Hunde schon seit 2 Tagen kein Futter mehr hatten, blieb ihm keine Wahl, als der Spur zu folgen.

Endlich, nach einem weiteren Tag der Suche entdeckte er in einem Tal den Eisbären, der von Hunger getrieben auf ein Tier zusteuerte, das seltsamerweise starr im Eis verharrte. Der Cowboy legte sein Gewehr an und schoß. Der Eisbär richtete sich verletzt auf und lief auf den Schützen zu. Noch ein Schuß und noch einer und der Eisbär verhielt in seinem Angriff. Er strauchelte und fiel zu Boden. Der Schnee färbte sich rot und der Cowboy wußte, daß von diesem Bären keine Gefahr mehr ausging. Noch immer saß das Tier, das sich der Eisbär als Opfer gesucht hatte regungslos am Boden. Der Cowboy ging näher und erkannte ein kleines Mädchen, das sich in einer Bärenfalle verfangen hatte und nicht selbst befreien konnte. Sie saß im Schnee, in ein weißes Fell gehüllt, das vom Frost glänzte.

Als er auf das Mädchen zuging, sah dieses ihn mit großen Augen an. "Höchste Zeit, daß ich gekommen bin.", murmelte der Cowboy. "Ich wußte, daß du kommst," sprach das Mädchen, "ich habe dich doch gerufen!" "Das hast du," sprach der Cowboy, "kleine Rose, das hast du wirklich."

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