Gedichte des Performancekünstlers Duke Meyer
BELTANE
Und dies ist die Wurzel des Stammes.
Und dies ist der Saft auf der Kuppe.
Und dies ist die Knospe die schwillt.
Und dies ist der schmelzende Schnee.
Und hier sprießt das blühende Leben.
Und hier trinkt die blühende Lust.
Und hier kommt das Ende der Kälte.
Hier hebt der Gehörnte sein Haupt.
Und hier hast du mich gespiegelt, Schöne,
und meine Wildheit geschaut.
Und hier ist das morsche Land Sehnsucht.
Und hier zuckt der Blitz aus dem Blau.
So schiebt sich die Schlange der Wälder
tief in das Moos der Frau.
Und SIE ist die sprudelnde Quelle,
der niemals begradigte Bach.
Hier haben wir uns befrühlingt. Hier unter dem Blätterdach.
Nur eine maßlose Liebe ermöglicht ein Maß menschlicher Macht.
© Duke Meyer
ABENDANDACHT (DEN KRÄFTEN DES WASSERS)
»Du weinst ja!« sagte sie.
»Nein,« sagte ich, »es ist nur das Eis, das schmilzt.«
Du bist der Eisberg der taut
Du bist die Kälte der Haut
Du bist das Meer, das sich füllt
Mit dem beginnenden Abend
Du bist das Wandelgesicht
Du verwandelst mich
Träumender Spiegel und brüllende Gischt
Du bist die schäumende Frau
Das hungrige Maul
Die Tiefe
Der Bauch
Auch das Fruchtwasser
Aus dem wir alle einst kamen
Und wie die See, die bewegt wird
Wie alles, was uns bewegt
Wie eine Freude, die kommt
Und ein Schmerz, der vergeht
Wie jedes Geschöpf das irgendwo
Im Fluß der Zeiten ein Leben lebt
So wahr ich hier unter den Sternen steh
Ihr schimmernden Völker
Ihr schwimmt
Ihr versteht
Ihr seid unsere Gefühle
Es ist Euer Planet.
© Duke Meyer
ERNTEDANK
Dir danken wir, Mardøll, für die reiche Ernte des Jahres. Dir danken
wir, Vanadis, mit dem Blut Deines göttlichen Gefährten, Dir danken
wir, Frowe, mit der Musik unserer Herzen, die ihren Takt schlagen für
Dich. Unsere Felder sind fruchtbar wie unsere Lenden und Schöße; das
Getreide gedeiht – oh Große Sau, wir sehen, daß Du großzügig warst.
Du bist der Regen unserer Wolken und Augen, Du bist das Naß unserer
Geschlechtsorgane, die prall und freudig, lüstern in zitterndem Stolz
und erfüllter Hingabe Deine Feste feiern – denn alle Akte der Liebe
und Freude sind Deine Rituale: solange Gras wächst, solange der Himmel
blau glänzt, solange Nacht und Tag wechseln, solange die Dunkelheit
wie schwarzer Samt schimmert, solange die Blume der Sehnsucht blüht in
den Herzen der Geschöpfe, und solange die Katzen Deinen Wagen ziehen
um das Rund der Erde, unserer heiligen Mutter Nerthus (manche nennen
sie Globus, aber es kommt aufs Gleiche raus: Wir leben auf und von
Dir. Ausschließlich).
Oh Große Mutter dreifaltiger Weiblichkeit, Du gibst das Leben und Du
nimmst es nach Belieben: Du verkörperst Dich in jeder Frau, jedem
Mädchen und jeder weisen Alten. Dir wollen wir gehorchen und Deinem
Pfad folgen, indem wir unseren eigenen Weg finden und die
Verantwortung übernehmen für unser persönliches Geschick, das wir
selber gestalten: in lustvoller Demut vor Dir, und mit dem Mut der
Raubtiere, die unsere Leidenschaft beleben. Denn Du bist der Tod und
die Nacht – und die Wiedergeburt. Aus Deinem Kessel entsteigen unsere
Krieger wieder, und vor Dir neigen wir uns wieder nieder, und wir
küssen Dein schwarzes Dreieck, und seinen süßen Saft: Befeuchte unsere
Erde, unsere Äcker und Schweine, heilige unser Glück. Wir segnen Dich:
Dich und Deinen Sohn und Geliebten und bitten, daß auch Du uns
segnest, bevor Du uns verläßt. Bis wir uns wieder rufen: im Namen der
Mutter, der Tochter, und der Heiligen Ekstase.
© Duke Meyer
GNOMENSPRUCH
(AN STEIN UND BEIN:
DEN KRÄFTEN DER ERDE)
Wald wachse
Wald werde
Wald komme
Wald mehre
Leib Mutter Erde
Knochen und Schwere
Nacht, Wildnis, zehre
Vom Keim, den ich gab
In den steinernen Grund
Den mancher Tod blankgenagt
Treibe die Wurzel
Trink langsam
Trink tief
Brich aus dem Boden
Ich bitt Dich: wachs´ schief!
Baum, krumm´ Baum
Bäum Dich, Baumeisterin
Du bist der Wald unter Wäldern
Und wir mittendrin
Schwerkraft..., Spirale...
Diese Welt ist beseelt
Von den Gipfeln der Geister
Bis zu den Höhlen der Hel
Von tief unter der Krume
Bis hinters fernste Gestirn
Vom Urgrund Geschlecht
Rauf ins Hochflug-Gehirn
Alles geboren:
Idee, Geschöpf, Stern!
Dein Stein bin ich, Werferin
Ich fliege gern.
Dir das Geheimnis
Was war und was Wyrd
Wir sind Dein Tanz
Der entsteht
Und erstirbt
Immer wieder.
Schwarz schweigt die Nacht.
Eine Stille steigt stolz aus Erden Grund.
Wucherndes Grün krönt das Holz – da
Hör ich im einzigen Schrei eines Tiers
Alle Lieder.
Die zu erzählen, bin ich auf´s Neue geboren...
Geist, Lust, Gefühl, Macht und Kraft sind beschworen.
Luft, Feuer, Wasser und Erde sind hier.
Dieser Kreis ist geschlossen.
Geöffnet sind wir.
© Duke Meyer
Duke Meyer
Performancekünstler, Texter, Schauspieler
Solo-Programme mit eigener Lyrik & Musik,
Performance-Projekte in verschiedenen Besetzungen,
Auftritte in Süddeutschland und anderswo.
Schauspielrollen in verschiedenen süddeutschen Ensembles
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